"Das Universum, das andere die Bibliothek nennen, setzt sich aus einer undefinierten, womöglich unendlichen Zahl ineinander verschachtelter Bildschirme zusammen [...] eingefaßt durch Markierungen am Rande dieser Blätter aus vergessenen Schätzen geschriebener, gezeichneter, imaginierter Buch-Utopien. Die Anordnung der auf dem Bildschirm erscheinenden Bücher ist niemals dieselbe, ebensowenig die Art und Weise, in der sich der Benutzer durch die verschiedenen Gebiete der Bibliothek hindurchbewegt. [...] Das Buch ist bisher das radikalste Interface für den Entwurf virtueller Welten." (Idensen/Krohn 1990:132)Das Aufkommen neuer Medien wird von pompösen Tumulten und vielfältigen Totengesängen auf die 'alten' Medien begleitet. Aber unterhalb der leeren perfekt designten Oberflächen des neuzeitlichen Informationsdesigns, der "Softmoderne", des Infotainment blitzen die überwunden geglaubten Schriftzeichen verschämt wieder auf - jetzt als Wörter, die ihre alte Unschuld verloren haben und als Hotspots, keywords, Hypertext [1]- Absprungstelle den Leser nicht mehr in den Text hineinsaugen, sondern ihn vielmehr abstoßen und in das weite Feld digitaler Kommunikationsstrukturen hinausschleudern.
"Das Computernetz befreit den Autor von seinem Verleger. Ungehindert [...] kann ein schreiblustiger Autor Buch nach Buch direkt ins Netz werfen. [...] Die Sätze wollen nicht länger eine Verbindung mit Vorgängern und Nachfolgern eingehen. Nach jedem Satz kann im Prinzip jeder andere folgen [...] Der real existierende Cyberspace ist ein Text-based Environment [...] Der flüchtige Computext ist die ironische Rückkehr der Schrift, nachdem das Wort im Zusammenhang der Bildkultur für tot erklärt worden war [...] Virtuelles Schreiben ist die Antwort der Schrift auf die Designermedien, weil es keine Form sucht, um sich zu materialisieren [...] sondern um sich stattdessen im elektronischen Universum einen neuen Raum zu schaffen, um überallhin gelangen zu können." (Agentur Bilwet 1995:208-211)Online-Texte glänzen weniger durch stilistische und rhetorische Figuren oder den Gebrauch metaphorischer Formulierungen, sondern eher durch kontextbezogene Aktivitäten, durch Hin- und Herschalten zwischen verschiedenen Ebenen, Querverbindungen, Schnelligkeit des Austausches - sie thematisieren den Raum zwischen verschiedenen Text- Fragmenten - inszenieren und bearbeiten intertextuelle Strukturen.
2. Intertextualität war in den
politisierten Literaturdebatten der siebziger Jahre der
entscheidende 'Kampf'-Begriff zur Aufhebung
bürgerlicher Autoren-Funktionen zugunsten
literarischer Netzwerk-Modelle. Diese Impulse
führten - neben einer explosionsartigen
Ausbreitung intertextueller Schreibweisen - auch zum
Paradigmenwechsel in der Literaturtheorie. Ein
ausuferndes 'Lexikon' intertextueller poetischer
Praktiken liefert Genette (1993).
3. Deshalb ist die oft vorgenommene
Analogisierung zwischen der klassichen Fußnote
und dem link in elektronischen Texten auch nur bedingt
tauglich. Der narrativen Funktion von links kommt man
aber doch auf die Spur, wenn man extreme
Gebrauchsweisen von Fußnoten in literarischen
oder theoretischen Texten verfolgt: Fußnoten
weisen über die (auch physische) Abgeschlossenheit
nicht digitaler Texte hinaus. Sie ermöglichen ein
Schreiben über den Rand des jeweiligen Diskurses.
Als Absprungstellen für den Leser fordern sie
Interpretation, Kritik, eigene Suchbewegungen heraus
und bewirken einen Perspektivewechsel, der das
diskursive und auktoriale Zentrum des Textes aufsprengt
und für Anschlußmöglichkeiten an andere
Texte und Diskurse sorgt. In dem Essay "Living On"
(Derrida (1979) untersucht Derrida Grenzlinien in
Maurice Blanchots Texten und kommentiert den
Prozeß seiner Gedanken gleichzeitig, indem er
eine einzige Fußnote einsetzt, die unterhalb des
gesamten Textes parallel weiterläuft. Als
narrative Stilfigur findet sich die Fußnote
extensiv eingesetzt im 10.Kapitel von Finnegans Wake
(Joyce (1947), in dem der Haupttext in der Mitte
(Textmaterialien einer Schulstunde) von Marginalien an
den seitlichen Rändern (Bezugsstellen und
Anmerkungen zweier Brüder zum studierten Text) und
Fußnoten (die Beziehungen zwischen den
Brüdern und der Schwester herstellen) umrahmt
wird. Der Leser wird hier in einen Dialog zwischen
verschiedenen Texten und Lesarten verwickelt, der Akt
des Lesens, das Navigieren im Text wird konstitutiver
Bestandteil des Textkörpers. Weitere Beispiele
finden sich in Benstock (1983). Leider ist in keinen
mir bekannten Textverarbeitungs-Programm die
Möglichkeit gegeben, in Fußnoten wiederum
Fußnoten einzufügen - und somit eine
Mehrfachverschachtelung zu erreichen, wie sie etwa in
Raymond Roussels Texten gegeben ist.
4. Eine 'Poetik des Transports' könnte
vielleicht das alte Konzept der Metapher als
Netzwerkladungen verfügbar machen, die durch
Ankunft und Abreise, Import und Export, Ein- und
Ausgänge in Wissenspartikel organisiert werden.
Neue Formen der Begriffsbildung und der
gesellschaftlichen Kommunikation entstehen - eine
aktive Semiose, in der Schreibende und Lesende
fortwährend neue Zusammenhänge entdecken,
Spuren nachgehen, Kommentare aufzeichnen.
5. Gemeint sind hier vernetzte elektronische
Texte. Die zum Editieren nötigen Hypertext-
Programme wurden nach einer Vorlaufphase in den
sechziger Jahren dann in den achtziger Jahren auch auf
PCs verfügbar - eine allgemeine Verbreitung wurde
aber durch unterschiedliche Dokumentstrukturen
verhindert. Erst in den neunziger Jahren bildete sich
ein universeller Hypertext-Standard heraus, der sich
wie ein Virus verbreitet: die Hypertext Markup Language
(HTML) - das 'natürliche' Austauschformat
elektronischer Texte im Word Wide Web (WWW). Die offene
Struktur, die einfache Bedienung der grafischen
Oberfläche und die Tatsache, daß für
alle Rechnerplattformen Freeware-Browser und Editoren
verfügbar sind, führten dazu, daß die
althergebrachten Internet-Dienste (wie FTP, Newsgroups)
inzwischen auch größtenteils in das WWW-
Konzept integriert wurden. Das WWW ist quasi zum
Standard des online-Publishing geworden und trägt
mit zum derzeitigen Boom des Internet bei. Seit der
ersten Version des grafischen Browsers Mosaic (Januar
1993) wuchs die Zahl der Web-Sites von fünfzig auf
über eintausendfünfhundert (Mitte 1994) -
mittlerweile sind schätzungsweise vierzigtausend
Web-Sites online. Täglich werden die
entsprechenden Browser von mehreren tausend Usern von
den entsprechenden ftp-sites heruntergeladen (über
zehn Millionen allein für Mosaic). Der Netzwerk-
Leser findet im WWW gestaltete Textseiten vor, von
denen aus er durch einfaches Anklicken Navigieren kann.
Durch das offene Austauschformat ist jede weitere
Integration anderer Medien (Bild, Ton, MPEG-
komprimiertes Video ...) möglich, wenn auch durch
die langen Übertragungszeiten bisher nur begrenzt
praktikabel.
Eine genaue Syntaxbeschreibung von HTML findet sich in
Klute (1995), das schon während der Entstehung -
d.h. über sechs Monate vor dem voraussichtlichen
Erscheinen des Buches) verfügbar war unter: A
HREF="
http://www.nads.de/~klute/WWW-Kompendium/Inhalt.html">
http://www.nads.de/~klute/WWW-
Kompendium/Inhalt.html. Hier bietet der Autor den
Lesern seines online-Manuskriptes auch eine Mitarbeit
bei der Entstehung des Buches an:
Verbesserungsvorschläge, Ergänzungen, sowie
Bewertungen zu Struktur und Inhalt können
über ein Eingabefeld auf den entsprechenden Seiten
(automatisch per email) direkt an den Autor geschickt
werden. Extensive Benutzung von
Annotationsmöglichkeiten finden sich in David
Blairs "WaxWeb" - Vgl. Anm. 54)
6. Das Mitschreiben und Abspeichern der
Lesewege durch das Netz ist eine wichtige
Aktivität der Informations-Filterung und
Speicherung innerhalb des rhizomatischen Labyrinths im
WWW. Das Navigieren im Netz ist zwar eine
oberflächliche Art des Lesens, des
Überfliegens von Informations-Landschaften, die
aber ihren eigenen Reiz hat. Im Unterschied zu den auf
den Horizont des einzelnen Lesers beschränkten
Leseerfahrungen der Buchkultur ist der Austausch der
Navigations-Erfahrungen im Netz ein wichtiger
Bestandteil der Netzwerk-Kultur. Die
Veröffentlichung von hotlists ist eine
Öffnung des eigenen Lese-Raumes, eine konkrete
Weitergabe von Quellen, Referenzen, interessanten
Stellen im Netz, die gleichzeitig das Profil und die
Bezugspunkte der jeweiligen WWW-sites deutlich machen.
Ein hervorragendes Beispiel ist Meyers Hotlist:
http://www.uni-kassel.de/fb3/psych../sim/sub/hameyer/boma.htm
7. Ted Nelson prägte in seinen
visionären Entwürfen hypertextueller
Kommunikationslandschaften den utopischen Begriff von
elektronischer Literatur als "Dokuverse" :"Literature
is an ongoing system of interconnecting
documents."(Nelson (1981) :2/9 ff.) Vgl. Bolz (1993):
216 ff.): "Der Abschied von den diskreten, privaten
Dokumenten der Gutenberg-Galaxis ist eben auch ein
Abschied von den Ordnungsmustern Hierarchie, Kategorie
und Sequenz. [...] Es gibt gar keine
Einzelgegenstände des Wissens [...] es sind nur
Knotenpunkte unzähliger Querverbindungen, Gatter
und Netze."
8. Der Ursprung dieser Verräumlichung
von Daten findet sich in der antiken Rhetorik, die als
Gedächtniskunst vielfache Verfahrensweisen und
Methoden der Verortung von Wissensbausteinen
entwickelte. Die immer wieder zitierte 'Home-Page' der
Mnemotechnik schildert als Ursprungsmythos drastisch
die katastrophische Zerstückelung von Körpern
einer ganzen Tischgesellschaft: der gewerbliche Dichter
Simonides von Keos (556-468 v.u.Z.) rekonstruiert - als
einziger Überlebender - für die Nachkommen
die Namen der zu Tode gekommenen über die
Sitzordnung bei Tische. (siehe: Cicero (1976): 433 ff).
Vgl. Anm. 56
Zur Art of Memory siehe Yates (1990), zur Entwicklung
der Desktop-Metapher Brand (1990): 170 ff), zu
Hypertext und Gedächtnis-Metaphern Idensen/Krohn
(1990b), zum Thema Gedächtniskunst als Cyberspace
siehe Bartels (1991), zu @home in Netz mediamatic
8'2/3, besonders Brody (1995).
9. "Ein Rausch kommt über den, der
lange ohne Ziel durch Straßen marschierte. Das
Gehn gewinnt mit jedem Schritte wachsende Gewalt; immer
geringer werden die Verführungen der Läden,
der Bistros, der lächelnden Frauen, immer
unwiederstehlicher der Magnetismus der nächsten
Straßenecke [...] eines Straßennamens. Dann
kommt der Hunger [...] Jener anamnesische Rausch, in
dem der Flanuer durch die Stadt ziegt, saugt seine
Nahrung nicht aus dem, was ihm da sinnlich vor Augen
kommt, sondern wird oft des bloßen Wissens, ja
toter Daten, wie eines Erfahrenen und Gelebten sich
bemächtigen. (Benjamin (1982: 525)
"Die Fragmente des eigentlichen Passagenwerks kann man
den Baumaterialien für ein Haus vergleichen, von
dem nur gerade erst der Grundriß abgesteckt oder
die Baugrube ausgehoben ist. [...] Neben der Baugrube
findet man die Exzerpte aufgehäuft, aus denen die
Mauern errichtet worden wären. Benjamins eigene
Reflexionen aber hätten den Mörtel abgegeben,
durch den das Gebäude zusammenhalten sollte. [...]
Benjamins Absicht war, Material und Theorie, Zitat und
Interpretation in eine gegenüber jeder
gängigen Darstellungsform neue Konstellation zu
bringen, in der alles Gewicht auf den Materialien und
Zitaten liegen und Theorie und Deutung asketisch
zurücktreten sollten."
(Tiedemanns Einleitung zu: Benjamin (1982): 13)
10. Eco (1973) beschreibt verschiedene
'Kunstwerke in Bewegung', die über das Ansprechen
von Möglichkeitsfeldern einen aktiven
Interpretations- und Rezeptionsprozeß
herausfordern (Partituren serieller Musik, informelle
Malerei, Visuelle Poesie, Live-Fernsehsendungen,
Querschnittstechniken bei Joyce): "Jedes Ereignis,
jedes Wort steht in einer möglichen Beziehung zu
allen anderen, und es hängt von der semantischen
Entscheidung bei einem Wort ab, wie alle übrigen
zu verstehen sind." (Eco (1973): 39) Die Kunstwerke
werden als Mechanismen aufgefaßt, derer man sich
bedienen kann.
11. Vgl. Anm.57.
12. In einer aus Copyright-Gründen
leider nie veröffentlichten Arbeit hat Klaus Dufke
das dritte Kapitel des Ulysses (Joyce 1914) wieder auf
den Stadtplan von Dublin zurückprojiziert, so
daß der Leser vom Plan aus in die entsprechenden
Textstellen springen kann (als Text, teilweise
animiert, und vorgelesen - in verschiedenen Versionen
und Übersetzungen) sowie zu korrespondierenden
Bildern - somit können verschiede Erzähl- und
Assoziationsstränge verfolgt werden. (Programmiert
mit Hypercard, lauffähig auf Macintosh, 8 MB -
Informationen über Klaus Duffke Fax 040-2369297)
13. In Perec (1982) wird ein weitverzweigter
Roman auf die Zimmer eines Mietshauses verteilt: 99
Kapitel (für alle Zimmer des Hauses inklusive
Kellerräume, Treppenhaus, Eingangshalle,
Hausmeisterloge), die nach Prinzipien von
Schachbrettzügen durchquert werden. Aus den
Strukturen des Text-Hauses werden immer wieder
konstitutive Elemente für jedes Kapitel
entwickelt, die die Konstellationen der Personen, das
Mobiliar, biographische und geschichtliche
Anspielungen, Zitate und literarische Bezüge
miteinander vernetzen. Thematisch steht eine
aberwitzige Geschichte um einen Puzzle-Künstler im
Mittelpunkt der insgesamt wie ein Puzzle ausgelegten
Geschichten. Robert Coovers "Hypertext-Hotel" (in dem
verschiedene Hypertext-Experimente der Brown University
zusammenlaufen) arbeitet mit derselben
Benutzermetapher:
http://duke.cs.brown.edu:8888/
Diese literarische Spielform könnte gleichzeitig
ein Vorbild sein für die am wenigsten
'literarischen' Spielformen im Netz: die MUDs (Multi
User Dungeons). Siehe Anm. 54.
14. "In unordentlichen oder ordentlichen
Situationen zufällig gefunde Gegenstände
werden, genau dort, wo sie sich befinden, auf ihrer
Unterlage (je nach Zufall Tisch, Stuhl, Schachteln
u.a.m.) befestigt. [...] Das Resultat wird zum Bild
erklärt." (Spoerri 1968: 122)
15. "Auf einem Faltblatt in Innern dieses
Buches findet man ein Planzeichnung [...]. Die
Zeichnung ist eine genaue Topographie der von Zufall
und Unordnung bestimmten Tischlandschaft und zeigt die
numerierten Grundrisse aller besprochenen
Gegenstände. Das Spiel, das ich nun vorschlage,
besteht darin, sich auf dieser Karte einen Gegenstand
auszusuchen und dann die Beschreibung unter der
entsprechenden Nummer im Textteil nachzuschlagen. Die
Anmerkungen (dahinter verbergen sich Abschweifungen,
Kommentare zu den jeweiligen Gegenständen sind
unter den Siegeln D.S. (Daniel Spoerri), E.W. (Emmett
Williams) und D.R. (Diter Rot) zu verschiedenen
Entstehungsstadien des Textes hinzugefügt worden,
so daß zu einigen Anmerkungen wiederum weitere
Anmerkungen angefügt worden sind.) geben Texte und
Daten, welche über die einfache Beschreibung der
Objekte hinausgehen." (Spoerri 1968: 6)
16. Ein Anhang zeigt etwa in einer
"Topographie des Geordneten" die die Situation des
Tisches am 21. Februar 1962 um 8 Uhr 7 in
aufgeräumten Zustand. Solche 'Wucherungen' von
Texten und Büchern analysiert Genette (1989).
17. Bei dem gegenwärtigen Internet-Hype
brauchen die lokalen Mailboxen vor Ort
(Übersichten finden sich z.B.
regelmäßig in der ct) keinesfalls in
Vergessenheit zu geraten. Sie bieten einen Zugriff auf
vielfältige Dienste (email, News) - teilweise
finden sich hier auch aus dem Internet 'gefischte'
Daten gut aufbereitet und gefiltert. Auch WWW-Zugriffe
sind in vielen Fällen geplant. Wer noch keinen
'direkten Draht' zum Internet hat, braucht keineswegs
zu verzweifeln: Web-Dokumente können auch
über email empfangen werden (Informationen
darüber erhält man, wenn man eine email zu
"listserv@info.cern.ch "sendet, mit www als (einzigen)
Text). Bei dieser indirekten Informationsaufnahmen aus
dem WWW entfällt natürlich das reizvolle
direkte Navigieren - aber für den Empfang
bestimmter ausgewählter Dokumente ist es durchaus
geeignet.
18. Die sozialen und gesellschaftlichen
Vernetztungsprozesse, die etwa durch den Buchdruck in
Gang kommen, werden in Eisenstein (1983) und Giesecke
(1991) anschaulich und mit einer Fülle von
Beispielen aufgezeigt. Daß in historischen
Umbruchsitutionen des Medienwechsels (Vgl. Anm. 50) -
etwa von der oralen Kultur zur Druckkultur bzw. in der
jetzigen Übergangsphase zu digitalen Medienwelten
- sich die Befürchtungen, Ängste und
Einwände gegenüber den - jeweils - neuen
Medien ähneln zeigt Ong.(1987) auf:
Veräußerlichung, Entsinnlichung.
Desubjektivierung bzw. Abwesenheit des
Sprechers/Autors, unkontrollierte Kopierbarkeit ohne
Authentizitätsgarantie sind etwa Vorwürfe,
die zunächst gegen die Hand-Schrift, dann gegen
den Buchdruck, jetzt gegen digitale Texte erhoben
werden. Zur Versachlichung der Kontroverse um Heil und
Segen neuer digitaler Publikationsformen trägt
Barlows glänzende Beschreibung und
Problematisierung digitaler Informations-Umwelten bei.
(Barlow (1994).
19. Ein Ausschnitt aus dem antiken Druck zum
Wissensbaum findet sich in der Imaginären
Bibliothek (siehe Anm. 59), eine Transkription des
Schematas in d'Alembert (1989): 28-29).
20. Das Pariser Parlament bezieht sich in
seinem Verbot der Enzyklopädie 1759 explizit auf
die subversive Funktion der Querverweise ("[...] das
ganze in diesem Wörterbuch verstreute Gift findet
sich in den Verweisen."). Mit Verweisen von einem Band
zu einem (erst später erscheinenden) anderen wurde
die Zensur geschickt umgangen, etwa im berühmt
gewordenen Verweis von 'Menschenfresser'
(Anthropophages) im ersten Band auf die Begriffe
'Kommunion' und 'Eucharistie' oder vom orthodox
gehaltenen Artikel 'Jesus Christus ' auf den eher
ketzerischen Eintrag unter 'Eklektizismus ' (s.a.
d'Alembert/Diderot 1989: 20 ff.)
21. Gerade die Tafeln und Abbildungen der
Enzyklopädie setzen neue Standards im
Wissensdesign und tragen wesentlich zur praktischen
Umsetzung und Anwendung des Wissens - vor allem in den
Bereichen Handwerk, Kunst und Buchdruck bei.
Von den insgesamt fünfunddreißig Bänden
sind allein zwölf Bände den Tafeln und
Abbildungen gewidmet, zwei Registerbände
verzeichnen Schlagworte, Wissensgebiete und Stichworte.
Auch die Zeichnungen und Tafeln sind in das komplexe
Verweissystem einbezogen, indem sie einerseits
bestimmte Zusammenhänge und Mechanismen
darstellen, Details am Rande erklären - und
gleichzeitig Verweise auf übergreifende Artikel
enthalten, die diese Einzelfunktionen wiederum in einen
größeren Zusammenhang stellen. Die
enzyklopädische Montage zeigt Querschnitte durch
Maschinen und Arbeitsvorgänge, breitet die
einzenen Objekte vor dem Leser so aus, daß dieser
diese wieder zum eigenen Gebrauch zusammensetzen kann.
Als großangelegtes erstes kapitalistisches
Buchprojekt (die Geschichte dieses Projekts wird
ausführlich und spannend erzählt in Darnton
1993) beinhaltet sie gleichzeitig Gebrauchsanweisungen
zur Buch-Herstellung (von der Papierproduktion
über das Setzen bis zum Druck): "In jedem dicken
Buch steckt ein dünnes, das heraus will." (ebd.:9)
Der Gebrauch der Enzyklopädie ist also der eines
aktiven, operationellen 'Nachschlagens' - zur
fortlaufenden Lektüre nicht geeignet.
22. Das "Phoenix Project" ist ein Versuch,
im Internet eine digitale Bibliothek einzurichten: An
verschiedenen dezentralisierten Orten in der ganzen
Welt sollen Archiv-Center eingerichtet werden, in denen
bosnische und kroatische Menschen die Möglichkeit
haben, ihre Lieblingbücher einzuscannen. In
Kooperation mit verschiedenen Bibliotheken (u.a. der
New York Public Library), die slawische Abteilungen
pflegen, und der Brown University (an der viele
Pilotprojekte zum elektronischen Publizieren, zu
literarischen Hypertexten etc. laufen) werden die Texte
nach und nach im Netz allgemein zur Verfügung
gestellt, während gleichzeitig - zunächst in
Kellerräumen der ausgebrannten Bibliothek in
Sarajewo - für die Bevölkerung von Sarajewo
Terminalräume eingerichtet werden, über die
sie Zugriff zu der digitalen Bibliothek haben.
Darüber hinaus funktioniert diese 'digitale
Bibliothek' auch als ein Kommunikationssystem,
ähnlich den Wandzeitungen im revolutionären
China ... (Informationen über Ingo Günther:
i-gun@Maestro.com - siehe auch: Ingo Günther
(1995). Diese Sondernummer (ISSN 1019-4193) der
Zeitschrift Medien.Kunst.Passagen, stellt verschiedene
Netzwerkprojekte - als ausklappbare Maps gebunden -
vor. Ein Versuch, den Texten auch im Druckmedium eine
karthographische Funktion zukommen zu lassen. Eine
geplante online-Version' ist zu suchen unter:
http://www.uni-koeln.de/kr+cf/)
23.
http://jg.cso.uiuc.edu/welcome.html.
Bis jetzt sind hier über
zweihundertundfünfzig Titel verfügbar - in
einer anderen Liste (
http://www.cs.cmu.edu/Web/books.html), die auch
digitale Texte aus anderen Projekten verzeichnet, sind
über sechshundert Titel aufgeführt - neben
den Klassikern etwa auch James Joyce, Ludwig
Wittgenstein und viele Texte aus dem Bereich
Computer/Netzwerke - teilweise mit Illustrationen -
viele Texte liegen auch direkt im HTML-Hypertext-Format
vor.
Auch CD-ROM 'Auskopplungen' dieses immensen online-
Bücherbestandes (z.B. "Desktop BookShop") sind
verfügbar.
24. Dabei stellt sich nicht nur das Problem,
daß es sich hierbei ausnahmslos um englische
Texte handelt, sondern die Zitierfähigkeit dieser
aufgefundenen Textstellen leidet auch darunter,
daß die gebräuchlichen Angaben (etwa die
exakte Seitenzahl in dem entsprechenden Werk) aus dem
elektronischen 'Scroll-Text' nicht mehr ermittelt
werden können.
25. "Nehmt eine Zeitung. Nehmt Scheren.
Wählt in dieser Zeitung einen Artikel von der
Länge aus, die Ihr eurem Gedicht zu geben
beabsichtigt. Schneidet den Artikel aus. Schneidet dann
sorgfältig jedes Wort dieses Artikels aus und gebt
sie in eine Tüte. Schüttelt leicht. Nehmt
dann einen Schnipsel nach dem anderen heraus. Schreibt
gewissenhaft ab in der Reihenfolge, in der sie aus der
Tüte gekommen sind. Das Gedicht wird Euch
ähneln. Und damit seid Ihr ein unendlich
origineller Schriftsteller mit einer charmanten, wenn
auch von den Leuten unverstandenen Sensibilität."
(Tristan Tzara in Riha (1982): 69)
Den Charme dieser frühen selektiven Poetikmaschine
können die heutigen Infomationsmanagementsysteme
wohl kaum erreichen. Beiden gemeinsam ist der poetische
Akt als Auswahlmechanismus - als Filterung eines
gegebenen Datenbestandes - Zusammenschnitt aus dem
Zusammenhang gerissener Fragmente zu einer neuen
Gestalt.
26. In der Gebrauchsanweisung heißt es:
"Dieses kleine Werk [...] das jedermann erlaubt, nach
Belieben hunderttausend Milliarden Sonette zu bilden
[...], ist alles in allem so etwas wie eine Maschine
zur Herstellung von Gedichten. [...] Mit jedem Vers
(zehn an der Zahl) kann man zehn verschiedene Verse in
Übereinstimmung bringen; es gibt also hundert
verschiedene Kombinationen der beiden Verse.; wenn man
einen dritten hinzufügt, wird es tausend geben,
und für die zehn vollständigen Sonette aus
vierzehn Versen hat man also das oben genannte
Ergebnis. [...] Wie Lautr‚amont so schön gesagt
hat, die Poesie soll von allen gemacht werden, nicht
von einem." (Queneau (1984) o.S. aus gegebenem
Anlaß!)
27. Die Expanded Books sind speziell für
Macintosh-Powerbooks entwickelt (640x400, S/W Grafiken,
4 MB) - ein portables Environment, das ein komfortables
Lesen digitaler Texte in unterschiedlichen Umgebungen
ermöglichen soll.
Die Bildschirmoberfläche wird zum Buch mit
folgenden Funktionen:
-Markieren von Textpassagen per Schriftschnitt oder
Anstreichung am Rand
-Markierungen über 'Eselsohren' (mit Kommentar)
und vier 'Büroklammern'
-Anmerkungen in kleinerer Schrift im Randbereich
- Eine einfache Suchfunktion eingebauterlaubt das
Erstellen eigener Index-Verzeichnisse
-Übernahme von Textteilen in ein Notizbuch
für komplexere Anmerkungen, die (samt Zitat mit
automatischer Stellenangabe) exportierbar sind.
Nachdem die kalifornische Voyager Company schon eine
Unzahl dieser elektronischer Bücher
(hauptsächlich 'klassische' Literatur und
Bestseller) für den amerikanischen Markt
publiziert hat, ist jetzt die Programmoberfläche,
mit der diese elektronischen Bücher produziert
worden sind, verfügbar: das Expanded Book Toolkit.
Das Umsetzten von Fließtext in das Expanded Book-
Format geschieht über eine einfache Import-
Funktion. Die oben beschriebenen Standard-Funktionen
sind dann sofort verfügbar. Editiert werden
müssen dann nur noch die gewünschten
Querverbindungen (Links), etwa von
Inhaltsverzeichnissen auf die entsprechenden Seiten
oder Verschlagwortungen nach Registerverzeichnissen. Da
das Toolkit auf 'Hypercard' aufsetzt, sind auch leicht
Anpassungen an spezielle Umgebungen möglich.
Voyager hat inzwischen auch einige multimediale CD-ROMs
mit diesem Toolkit produziert, die zu den
interessantesten Produktionen (im Bereich Literatur,
Kunst, Wissensvermittlung) gehören: "Poetry in
Motion" Lesungen/Performances und Interviews
amerikanischer Dichter - u.a. Bukowski, Burroughs,
Cage, Ginsberg - zu denen parallel die jeweiligen
Textstellen auf dem Bildschirm erscheinen. Das
Anklicken einer bestimmten Textstelle läßt
die Lesung sofort zu eben dieser Stelle springen. Vgl
auch Marvin Minskys "The Society of Mind": die
vernetzte Struktur von dreihundertundacht
Wissenspartikeln wird hier dem Leser zur assoziativen
Verknüpfung dargeboten - unterstützt durch
teils animierte Grafiken und digitale Videosequenzen.
Der Testlauf der bisher einzigen deutschen
Veröffentlichung (Bukowskis "Kaputt in Hollywood"
vom Maro-Verlag) wurde wegen mangelnder Resonanz leider
eingestellt.
28. "Der Leser wird gebeten, diese Seiten wie
ein Kartenspiel zu mischen. Abheben darf er, falls er
es wünscht, mit der linken Hand, wie bei einer
Kartenschlägerin. Die Reihenfolge, in der die
Blätter liegen, entscheidet über das Los des
Mannes X. [...] Von der Verkettung der Umstände
hängt es ab, ob das Geschehen gut oder schlecht
endet. Ein Leben setzt sich aus vielerlei Teilen
zusammen. Aber die Zahl der möglichen
Zusammensetzungen -compositions- ist unendlich."
(zit nach Grimm (1965): 1173)
29. Das Personenverzeichnis führt eine
Art Chor für 17 Stimmen auf, die einzelnen Karten
stellen abgeschlossene Kurzprosa-Fragmente mit offenen
Anschlußmöglichkeiten dar; Narration,
Reflexion und Dialoge der Personen spielen sich
konsequent im neutralen Präsens ab ... Der
Mißerfolg dieses formal innovativen Puzzle-Romans
(der in der Literaturgeschichte kaum Spuren
hinterlassen zu haben scheint und in keinem Katalog zu
finden ist) liegt im Vergleich zur Sonettmaschine
sicherlich in der Schwierigkeit, eine kombinatorische
Narration mit wirklicher Leser-Beteiligung zu
entwickeln: Was ist Einsatz und Sinn des Spiels? Um
welche Achse, welches Zentrum drehen sich die epischen
Verkettungen? Kann der Leser wirklich in den Verlauf
der Geschichten eingreifen?
30. "In Wirklichkeit ist jeder Leser, wenn er
liest, ein Leser nur seiner selbst. Das Werk des
Schriftstellers ist dabei lediglich eine Art von
optischem Instrument, das der Autor dem Leser reicht,
damit er erkennen möge, was er in sich selbst
vielleicht sonst nicht hätte schauen können."
(Proust (1957): 329) Siehe auch Anm. 47.
31. "Das erste Buch läßt sich in
der üblichen Weise lesen. Es endet mit dem Kapitel
56, unter der sich drei auffällige Sternchen
befinden, die gleichbedeutend sind mit dem Wort Ende.
Folglich kann der Leser ohne Gewissensbisse auf das
verzichten, was folgt. Das zweite Buch läßt
sich so lesen, daß man mit dem Kapitel 73
anfängt und dann in der Reihenfolge weitermacht,
die am Fuß eines jeden Kapitels angegeben wird.
Falls man dabei durcheinanderkommt und etwas
vergißt, genügt es, das folgende Verzeichnis
zu befragen:
73-1-2-[...] 63-88-72-7-131-58-131
Um das rasche Auffinden der Kapitel zu erleichtern,
wird die Nummer jedes Kapitels am oberen Rand jeder
Seite wiederholt." (Cort zar (1981): 7)
32. A.- Auf Knopfdruck beginnt die Maschine
mit dem 73. Kapitel (es öffnet sich Schublade 73);
wenn man diese schließt, öffnet sich Nr.1,
und so fort. [...]
D.- Knopf, der zur Lektüre des Ersten Buches
bestimmt ist, das heißt fortlaufend vom 1. bis
zum 56. Kapitel. Schließt man die Schublade Nr.1
öffnet sich die Schublade Nr. 2, und so fort.
E.- Knopf, um die Maschine abzuschalten, sobald man den
Endzyklus erreicht hat: 58-131-58-131-58 usw.
F.- Bei dem Modell mit Bett öffnet dieser Knopf
den unteren Teil und das Bett steht bereit. [...]
In einer zusätzlichen Anleitung wird Knopf G
erwähnt, den der Leser im äußersten
Fall drücken soll, und der dazu dient, den ganzen
Apparat in die Luft zu sprengen.
(Cort…zar (1979):104 ff)
33. Formal wird diese jegliche
Linearität deformierende Textkonstitution aus
ständigen Neuanfängen, Einschüben,
Zurücknahmen, zerstörerischen
Einfügungen durch eine Folge von 25 Blöcken
mit je 4 Sequenzen verwirklicht. Die so entstehenden
100 Kapitel tragen jeweils vor ihrer durchlaufenden
Nummerierung die entsprechende Sequenznummer: 1. / 2. /
3. / 4. / 1.5 / 2.6 / 3.7 / 4.8 .... 4.100, wobei die
Sequenzen 1-3 jeweils im Imperfekt abgefaßt sind,
während die Sequenz 4 im Präsens steht. Im
Wechsel einer solchen Sequentialisierung entsteht ein
ständiger Materialkreislauf von Elementen, die
jeweils durch ihre Nachbarschaften verdoppelt,
aufgeladen und definiert werden.
Personenkonstellationen werden durch ein Spiel von
Personalpronomen in Szene gesetzt.
34. "Ein Rhizom ist ein Gewirr von Knollen
und Knoten und sieht aus wie Ratten, die
durcheinanderwimmeln". Die Charakteristika einer
rhizomatischen Struktrur sind die folgenden:
"a) Jeder Punkt des Rhizoms kann und muß mit
jedem anderen Punkt verbunden werden.
b) Es gibt keine Punkte oder Positionen in einem
Rhizom; es gibt nur Linien [...]
c) Ein Rhizom kann an jedem Punkt abgebrochen oder neu
verbunden werden, indem man einer der Linien folgt.
d) Das Rhizom ist anti-genealogisch.
e) Das Rhizom hat seine eigene Außenseite, mit
der es ein anderes Rhizom bildet; daher hat ein
rhizomatisches Ganzes weder Außen noch Innen.
f) ein Rhizom ist kein Abdruck, sondern eine offene
Karte, die in all ihren Dimensionen mit etwas anderem
verbunden werden kann; es kann abgebaut, umgedreht und
beständig verändert werden."
(Eco (1989): 106)
35. Programmoberfläche: Storyspace
Im Gegensatz zu gängigen Textverarbeitungs-,
Desktop-Publishing- oder auch
präsentationsorientierten Hypertext-Programmen
liegt der Schwerpunkt von Storyspace darin, spontane
Schreib-Prozesse zu unterstützen und Strukturen
für das Zusammenspiel und die Verknüpfung von
Ideen zur Verfügung zu stellen.
Erreicht wird diese Funktionalität durch eine
Verräumlichung des Schreibaktes: Die kleinsten
Schreibeinheiten (Writing-Spaces) werden als Boxen
visualisiert, zwischen denen Querverbindungen durch
(benennbare) Pfeile hergestellt werden können.
Schreiben und Lesen wird zu einem Akt dynamischer
Vernetzung von Ideenfragmenten, zu einem grafischen
Mapping von Gedankenbildern. Zur elektronischen
Weitergabe der Dokumente liegen eine Vielzahl
unterschiedlicher Reader vor, die als selbständige
Programme ablaufen. Mac und Windows-Versionen sind
datenkompatibel (Quicktime-Einbindung und HTML-Export -
zum Aufbau von Hypertext-Dokumenten im WWW- bisher nur
in der Mac-Version).
Informationen zum Programm und zu Hypertext-Projekten
über:
http://northshore.shore.net/~eastgate/
36. Dabei ist die Bibliothek wahrscheinlich
hermetischer als alle Beschreibungen und
Beschwörungen vom offenen (Hyper-) Text es
wahrhaben wollen - und vielleicht ist es gerade diese
(relative) Abgeschlossenheit (bei unendlichen
Kombinationsmöglichkeiten), die "funktioniert" und
dem Leser wirklich die Illusion vermittelt, einen
produktiven Akt auszuführen, wobei das Struktur-
Zitat der unendlich fragmentarisierten Bibliothek
gerade den wunden Punkt der Leser (und Schreiber) im
Zeitalter der technischen (Re-) Produzierbarkeit von
Texten zu treffen scheint: strukturell kann die
Imaginäre Bibliothek sowohl als ein Micromodell
eines universellen Computernetzes oder eben als eine
'verrückt gewordene' Gutenberg-Galaxis gelesen
werden. Ob der Leser aus diesen Verirrungen, aus diesem
'programmiertem Unsinn' wirkich eigene produktive
Sinnstränge herausliest, oder sich lediglich einem
oberflächlichen Umherschweifen und Stöbern
überläßt sei dahingestellt.
37. Vgl. Idensen/Krohn (1994)
38. Es geht nicht darum, der Buchhülle
noch nie dagewesene Schriften einzuverleiben, sondern
endlich das zu lesen, was in den vorhandenen
Bänden schon immer zwischen den Zeilen geschrieben
stand. Mit dem Beginn einer zeilenlosen Schrift wird
man auch die vergangene Schrift unter einem
veränderten räumlichen Organisationsprinzip
lesen. [...] Was es heute zu denken gilt, kann in der
Form der Zeile oder des Buches nicht niedergeschrieben
werden." (Derrida (1974: 155)
39. "Entgegen allem Augenschein kündigt
dieser Tod des Buches zweifellos bloß einen Tod
des gesprochenen Wortes [...] und eine Mutation in der
Geschichte der Schrift, in der Geschichte als Schrift
an [...] sei sie nun alphabetisch oder nicht, selbst
wenn das von ihr Ausgestrahlte nicht im Reich der
Stimme liegt: Kinematographie, Choreographie, aber auch
"Schrift" des Bildes, der Musik, der Skulptur usw.
Ebensogut könnte man von einer athletischen
Schrift sprechen und [...] von einer Schrift des
Militärischen oder des Politischen [...] spricht
auch der Biologe heute vom Schrift und Pro-gramm. Und
endlich wird der ganze, von kybernetischen Programm
eingenommenen Bereich [...] ein Bereich der Schrift
sein." (Derrida (1974: 20,21)
40. "Das Telefonbuch setzt dir Widerstand
entgegen. Indem es mit der Logik und dem Thema der
Schalttafel operiert, setzt es die Destabilisierung des
Empfängers in Gang. Deine Aufgabe [...] ist es zu
lernen, mit den Ohren zu lesen. [...] Zuerst magst du
die Entwicklung des Buches verwirrend finden, aber wir
mußten die logische Typographie durchbrechen. Wie
elektrische Impulse ist dieses Buch mit Signalen
überschwemmt. Um die einschließende
Souveränität des Buches aufzubrechen, haben
wir Schweigen und Fehlschaltungen simuliert, damit der
ruhige Rhythmus von Paragraphen und konventionellen
Aufteilungen außer Kraft gesetzt wird. [...] Du
wirst mit der Zeit sensibel werden für das An- und
Abschalten von eingeschobenen Stimmen, verschiedenen
Anrufen. Antworte wie du am Telefon antworten
würdest, denn die Telefonanrufe sind
unaufhörlich [...] Wenn du aufhängst,
verschwinden sie nicht, sondern warten im Hintergrund.
Es gibt keinen Ausschalter für das Technologische.
"
(Ronell 1989: A Users's manual; Übertragung H.I.)
41. Hypertext als nicht-sequentielles
Schreiben und Lesen ist von Anfang an als ein
Produktionssystem konzipiert worden, das Denkprozesse
durch die Visualisierung komplexer Strukturen
prozessural unterstützen soll. Leider wird es bei
der Mehrzahl kommerzieller Sofware auf ein reines
Präsentationssystem reduziert, das zudem -
versehen mit unzureichenden "read-only"-Run-time
Modulen - nicht einmal ein Verbreiten von
Hyperdokumenten erlaubt. Da in den technischen
Informationsenvironments alles mit allem verbunden
werden kann und zudem die Fäden der
Bedeutungsvektoren (der Links) nicht mehr im Menschen
selbst zusammenlaufen, ist die Frage nach einer
ästhetischen Programmierung der
Informationstechniken eine entscheidende.
Hypertext ist eine Operationalisierung von
Informations-, Kommunikations- und
Sprachbildungsprozessen auf den Oberflächen
informationsverarbeitender Systeme: in
objektorientierten Bildschirmmanipulationen vollziehen
sich grundlegende kulturelle semiotische, textuelle,
poetische Aktivitäten. Vielleicht ist Hypertext
deshalb Ausgangspunkt und Gegenstand so zahlreicher
Spekulationen über die Zukunft der Literatur und
der gesellschaftlichen Kommunikation, weil
hypertextuelle Operationen genau das vollziehen, was
wir ohnehin in der Literatur, der Wissenschaft, der
Poetik ... als Diskurstechniken für die Zirklation
von Ideen einsetzen: Querverbindungen herstellen,
Verweisen folgen, Wissenpfade anlegen,
Informationspartikel sammeln, explorieren,
organisieren, verteilen, senden und empfangen:
Netzwerke anlegen.
Vgl. Anm. 1.
42. "[...] psychisch Reisende, die von
Begierden und Neugier getrieben werden, Wanderer mit
schwachen Loyalitäten, die nicht an Ort und eine
Zeit gebunden und auf der Suche nach Vielfalt und
Abenteuer sind ... Diese Beschreibung trifft nicht nur
auf x-klassige Künstler und Intellektuelle zu,
sondern auch auf Arbeitsmigranten, Flüchtlinge,
die "Obdachlosen", Touristen, die Wohnmobilkultur -
auch Leute, die via Netz "reisen", ihre eigenen Zimmer
aber nie verlassen; und schließlich [...] alle,
die wir mit unseren Automobilen, unseren Ferien,
unseren TVs, Büchern, Filmen, Telefonen,
Jobwechseln, wechselnden "Lifestyles" [...] leben.
Psychischer Nomadismus als Taktik, Deleuze & Guattari
sprechen metaphorisch von "der Kriegsmaschine",
verschiebt das Paradox von einem passiven zu einem
aktiven oder vielleicht sogar "gewaltsamen" Modus.
[...] Diese Nomaden richten ihre Reisen nach seltsamen
Sternen aus, die luminöse Datencluster im
Cyberspace oder vielleicht auch Halluzinationen sein
können. Breite eine Landkarte aus, darüber
eine Karte der politischen Veränderung;
darüber eine Karte des Netzes, besonders des
Gegen-Netzes [...] und breite zum Schluß dann,
über alles, die Karte der kreativen Imagination,
Ästhetik und Werte im Maßstab 1:1. Das
entstehende Gitter wird lebendig, animiert von
unerwarteten Energiewirbeln und -strömen,
Lichteruptionen, geheimen Tunneln,
Überraschungen."
(Bey 1994: 114 und 120)
Vgl. Anm.57.
43. Viele Facetten des (virtuellen) Homes
beleuchtete die Konferenz "Doors of Perception 2.
@HOME" vom 4-6 November 1994 in Amsterdam. Eine
Dokumentation der Vorträge findet sich im WWW
unter:
http://mmwww.xs4all.nl/Doors/Doors.html" oder in
der Mediamatic 8 '2/3.
44. Vgl. Agentur Bilwet 1993: 37-41
45. Atem / Autor / Befehl / Beweis / Bild /
Code / Empfänger / Entmaterialisierung / Fassade
/ Gedächtnis / Geld / Geste / Gleichzeitigkeit /
Grenzen / Geschwindigkeit / [...] Natur / Navigator /
Netz / Prothese / [...] verführen / verschwommen /
vielfach / wohnen / Wunsch / Zeichen / Zeit (Die
vollständige Liste und Hintergrundmaterial ist zu
finden in: Lyotard (1985): 17)
46. Es piept lang anhaltend. Die Verbindung
steht. Folgende Eingaben flitzen in Realtime über
den Bildschirm, so daß kaum Zeit zum Lesen bleibt
:
"Geschwindigkeit für mich ist unumgänglich -
email ist schnell und der Alltag hier ist schnell, die
Tage verändern sich Tag für Tag -, da ich
stets vor den offiziellen Worldnews liegen will. Indem
ich euch da draußen darauf vorbereite, daß
in nächster Zukunft etwas passiert, mache ich euch
etwas unabhängiger vom Fernsehen oder den
Zeitungen. ( :- " (WAM, 18.7. 1992)
Wer mitschreiben möchte, sendet Beiträge in
das Brett /T-NETZ/TAGEBUCH.
Wie? In die Betreffzeile zu dem Text und an den Anfang
jedes Tagebuchtextes bitte Namen, Ort und (Abfassungs)-
Datum schreiben. Um weder Leser noch Schreiber zu
überfordern, sollte man einen Umfang von etwa ein
oder zwei Bildschirmseiten pro Woche als Richtmaß
ins Auge fassen. Wichtiger als Länge ist
Kontinuität. Viel Spaß beim Tagewerken.
(Peter Glaser, 11.1.1993 20:53:33, der die
Übersetzungen und die Koordination des Projekts
übernommen hat. (p.glaser@bionic.zer.de) Das Brett
T-Netz / Tagebuch ist in vielen Netzen zu finden - so
auch in der //BIONIC - Mailbox (Bielefeld): 0521/68000)
- oder auf News-Servern unter /T-Netz.
47. In Dyens (1995) wird eine interessantes
Modell für den Informationsaustausch zwischen
Mensch-Maschine entwickelt, das eine Fortsetzung
viraler Sprach-Theorien aus der Frühzeit der
Medientheorie (Vgl. Burroughs 1970) zu sein scheint:
Der Austausch von 'Ideen-Viren' ('memes') wird als
topographisches Modell von (organischen und nicht-
organischen) Ideen-Landschaften 'memescape' genannt:
hier entstehen die Meme, begegnen und verkoppeln sich.
Der Cyberspace als auch die gesamte Medienkultur kann
als ein solcher Austausch-Prozeß beschrieben
werden.
48. Einen wunderbaren Überblick
über Netzwerk-Aktivitäten bietet Volker
Grassmuck, der auch - in Absetzung von der Gutenberg-
Galaxis - gleich ein neues Paradigma für das neue
Zeitalter parat hat - "Die Turing-Galaxis", die
zunächst noch mit den Benutzermetaphern der
Gutenberg-Galaxis arbeitet: "Der Computer tut so, als
sei er Schreibmaschine, Gedrucktes und Bibliothek.
[...] Bibliothekare gehörten zu den ersten, die
die neue Galaxis erschlossen und besiedelt haben. Mehr
als tausend Bibliothekskataloge sind heute online,
über siebenhundert digitale Zeitschriften,
Hunderte von Volltextbüchern [...] Wir beobachten
heute einerseits, daß traditionelle Bibliotheken
[...] sich auf Volldigitalisierung und Vernetzung
zuentwickeln. Andererseits hat sich in der bislang
wenig bibliophilen Matrix eine Hypertextoberfläche
herausgebildet, die die Millionen angeschlossenener
Rechner effektiv zu einer Gesamtbibliothek mit
Fernleihe auf Tastendruck machen."(Grassmuck (1995):
51) - online:
http://www.race.u-tokyo.ac.jp/RACE/TGM/tgm.html
49. So lamentiert Bolter in seinem Buch
"Writing Space" (Bolter (1991), daß der lineare
Drucktext das Heraufkommen des elektronischen Buches
nur annäherungsweise beschreiben kann, weil der
vielfach verzweigten Struktur des elektronischen Text-
Netzwerks die lineare Organisationsweise der
Druckkultur mit ihren Unterordnungen und
Übergängen gegenübersteht. Am schwersten
sei ihm dabei der Rückfall vom vielstimmigen
Hypertext in die monotone auktoriale Stimme einer
einzigen (Autor-) Instanz gefallen. (ebd.:IX)
50. Dieses (vermeintliche) Ende wird in der
Nachfolge McLuhans (Mc Luhan 1968) von der aktuellen
Medientheorie besungen und teilweise auch durch die
Entwicklung neuer Diskursformen entsprechend in Szene
gesetzt. (Lyotard 1982, Baudrillard 1982, Kittler 1993,
Bolz 1993, Flusser 1987, Rötzer 1991 und 1993,
Virilio 1993) - Solche "leeren Verweise" sind in
digitalen Texten nicht üblich. Während die
Autoren (gedruckter) Texte sich durch eine
Überfülle von Verweisen auf 'anerkannte'
Diskurse selbst einen Autoritätszuwachs erhoffen -
dieser 'hermeneutische Zirkel' schließt
natürlich auch den Leser mit ein, der die
geläufigen 'Stellen' zu kennen hat -, verzweigen
digitale Texte tatsächlich zu den entsprechenden
'Stellen'. Eine solche radikaldemokratische
Zugriffsweise auf die neuen Wissensformationen
läßt die telematischen Kulturen auch im
Lichte utopischer Gesellschaftsentwürfe
erscheinen. (Vgl. Idensen, Heiko (1993).
Von den (vermeintlichen) "Bewahrern" der literalen
Kultur wird auf der anderen Seite das Aufkommen neuer
Informationstechnologien als Schreckensgespenst
verteufelt. So beschreibt - am äußersten
rechten Ende des Diskursspektrums - etwa Postman (1992)
die digitale dekontextualisierte "Informationsschwemme"
mit durchaus faschistischen Metaphern als Krankheit:
"Wir leiden unter einer Art von kulturellem Aids."
(ebd.:62) Nur durch die Wiedereinführung eines
mythologischen Zusammenhangs und einer
'glaubwürdigen Erzählung' könne diese
ausgemerzt werden. Wie demagogisch diese Perspektive
werden kann, zeigt die Unverfrorenheit, mit der Postman
in Bezug auf den Faschismus behauptet: "Aber wir
können aus dieser deutschen Erfahrung auch lernen,
daß Kulturen auf Erzählungen angewiesen
sind." (ebd.: 62) Da lobe ich mir die Zerstreung der
Erzählungen, wie sie in der Folge postmoderner
Transformationen gerade auch durch den Gebrauch Neuer
Technologien in Gang gesetzt wurde! Wie naiv der Glaube
an die Wirkungen des geschriebenen Wortes wiederum auf
einer 'anderen Seite' der Medienkritik sein kann, zeigt
der Versuch Karl Heinz Bohrers und Kurt Scheels (1993)
in einer pauschalen Generalabrechnung mit den
"Propangadisten der neuen Medien" die Nicht-Existenz
des virtuellen digitalen Raumes durch eine Referenz auf
eine Rezension in einer (angesehenen) Zeitschrift zu
belegen: "Cyberspace ist, trotz der vielen
adventistischen Verheißungen, immer noch eher ein
Bestandteil von Fantasy-Literatur als von Realität
(sei sie virtuell oder real).2 ( in der Fußnote
heißt es dann ganz korrekt und profan: "2 Vgl.
Tom Shippeys Rezensionsessay Inside the screen (Times
Literary Supplement vom 30.April 1993): Cyberspace (wie
überhaupt 'virtual reality') 'doesn't really
exist.' " (Bohrer u.a. 1993: 745) Kein Kommentar! -
Eine grundlegende Verkennung des Kontextes neuer
Medien-Theorien wird auf der nächsten Seite
deutlich: Die neuen Medien werden auf das Fernsehen als
globale Propaganda-Technologie kapitalistischer Markt-
und Politik-Strategien reduziert. (Bohrer 1993:746)
51. So zeigt dann auch ein Vergleich der
Rezeption des gedruckten Textes einerseits und der
Hypertext-Version von "Writing Space" (Bolter 1991)
andererseits, daß zwischen der emphatischen
Hypertext-Theorie und der praktischen Umsetzung
durchaus noch eine große Kluft liegt. Das
einfache (mediale) Umsetzen (Digitalisieren) von
gedruckten Texten in eine digitale Form ist erst der
Anfang - das Umsetzen poetischer und textueller
Strategien in eine interaktive digitale Dramaturgie -
die dann auch dem Leser außer Klicken und
Scrollen entscheidende Aktivitäten
ermöglichen - ist die eigentliche Herausforderung.
S.a. Riehm, U.; Böhle, K.; Wingert, B.(1992b)
52. Dem Wechsel von der oralen zur
Druckkultur (siehe Ong 1987) steht jetzt ein nicht
minder radikaler Übergang zu einer digitalen
Netzwerk-Kultur gegenüber - siehe auch Flusser
(1985), Rheingold (1991), Heim (1993). Vgl Anm. 18.
53. Gregory Ulmer (1989) umschreibt solche
Diskursexperimente ironisch als eine Fortsetzung der
dekonstruktivistischen Diskurstheorien mit medialen
Mitteln und verbindet in "Teletheory" Technikkultur,
Wissenschaft, Populärkultur und Alltagsleben. Als
Antwort auf die Reduktionen (Postmans und anderer) der
Neuen Medien auf die Bild-Aspekte (des Fernsehens)
sucht er nach einer neuen Praxis "elektronischen
Denkens": "I would like us to participate in the
invention of a style of thought as powerful and
productive as was the invention of conceptual thinking
that grew out of the alphabetic apparatus. I want to
learn how to write and think electronically - in a way
that supplements without replacing analytical reason"
(ix). siehe auch Anm. 44.
54. So haben sich etwa innerhalb des Waxweb-
Projekts von David Blair (ein 'interkommunikativer'
Film, bei dem die Zeitachse zugunsten von
Querverbindungen aufgelöst worden ist, bestehend
aus dreitausend WWW-Seiten, ca.
fünfundzwanzigtausend Hyperlinks,
fünfundachzig Minuten komprimiertem Video,
fünftausend Standbildern) verschiedene autonome
Arbeitsgruppen etabliert, die unterhalb der
vorgegebenen Strukturen eigene 'Räume'/Foren
aufbauen (z.B. eine 'womens's collaborative hypertext
fiction working group' oder Vorbereitungen zu
elektronischen Magazinen und Konferenzen.
(bug.village.virginia.edu 7777). Für
Medienforscher ist am MIT der kooperative Konferenz-
und Arbeitsraum MediaMOO verfügbar. (purple-
crayon.media.mit.edu 8888) In der mediamatic vol 8 '
2/3 finden sich für Einsteiger 40 Seiten Ausdrucke
von 'Besuchen' in den verschiedensten Räumen des
MediaMoo mit Plänen und Hilfeseiten. Nach dem
Durchqueren von Bar, Bibliothek, Theater,
Ankleidezimmern und Tanzsaal kann man in einer
'himmlischen Höhle', die mit Papier und
Schreibutensilien angefüllt ist, einen 'poetry-
generator' aktivieren: "This machine will generate
truly random poetry in an anarchist-dadaist-schizo-
mental-paranoid way. Just type in 'activate poetry
generator' to switch it on." (mediamatic 8'2/3: 101)
Informationen zu Web-basierten MUDs finden sich unter:
http:chiba.picosof.com/about. William Gibson Fans
dürften mit dieser Mischung aus graphischen WWW-
Seiten, auf die jetzt interaktive Eingriffe seitens der
Nutzer möglich sind, gespannt sein. The Sprawl
implementiert Cyberspace-Welten - inklusive dem Entwurf
für eine neu Art der virtuellen Universität:
http://sensemedia.net/sprawl/ (siehe auch Grassmuck
(1995: 54), der auch eine Sammlung von Links zum Thema
MUDs zur Verfügung stellt:
http://ww.race.u-tokyo.ac.jp/RACE/MUD/mud.html. Ein
MOO für das deleuzianische Zeitalter, für
'Körper ohne Organe', ohne Rücksicht auf
Klassenzugehörigkeit, Rasse, Geschlecht oder
Artenzugehörigkeit: CorpusFantasticaMOO. (Vgl.
Nonlocated online, map Ib)
55. Was nicht heißt, daß keine
Eingriffe von staatlichen Stellen versucht werden: etwa
der Kampf gegen den Clipper-Chip (der eine
Verschlüsselungstechnologie für die
Kontrollorgane des Staates monopolisieren sollte) oder
gegen die Verfolgung von Programmierern, die
Verschlüsselungsprogramme im Internet zur
Verfügung stellen zum Schutz privater Nachrichten
und Transaktionen (Pretty Good Privacy" gilt
formaljuritisch als Waffe und darf nicht exportiert
werden) ... Informationen über die Electronic
Frontier Foundation:
http://www.eff.org/
56. In der antiken Gedächtniskunst (Vgl.
Anm. 8) stellt sich der Redner eine Stadt vor: im
Prozeß des gezielten Umherschweifens durch
Erinnerungsorte rekonstruiert er seine Rede wieder. Das
Internet selbst erscheint den Nutzern als "Global
Village", die ganze Welt letztlich als ein
topographisches Netz mit Kommunikations- und
Verkehrsverbidungen analog zu dem universellen Medium
Stadt, in der sich die Menschen als Fremde -
unabhängig von Status, Geschlecht, Herkunft
begegnen können. Das faszinierende Spiel der
verschiedenen Informations-Kreisläufe einer
solchen 'Megalopolis' wird in vielen Spielen (z.B. Sim
City) entfaltet. Die Stadt als Benutzeroberfläche
findet sich etwa in Apples online-Service "e-world"
oder auch in Entwürfen zu
Bedienungsoberflächen für interaktives
Fernsehen.
57. Die 'Einwohner' können eigene Seiten
gestalten, die entweder von allen gelesen werden
können oder nur von bestimmten Gruppen - private
Messages können durch Paßwörter
geschützt werden. Aus der Tradition der Community-
Networks in den USA (in den 70er Jahren) entwickelten
sich z.B. auch Netzwerk-Projekte von Obdachlosen, die
auf diese Weise ein politisches und kulturelles Forum
aufbauten. Die Digitale Stadt Amsterdam ( http://www.dds.nl/ - hat schon
10000 'Einwohner' und ca. 3000 'Besucher' pro Tag)
entstand im Kontext der Hausbesetzer-Bewegung und
Medienexperimenten mit Piraten-Radios. Im Umfeld dieser
Bewegungen entstehen auch ganz 'reale' Orte, die
versuchen, diesen Medien- und Gesellschaftsutopien Raum
zu geben: Cyber-Cafés, Galerien, Clubs ... Die
internationale Stadt Berlin besucht man unter:
http://www.is.in-
berlin.de
58. "Denken Sie daran, daß diese Netze,
so neu sie Ihnen scheinen mögen, als eine Welt der
Sprache bereits jetzt, in ihren Anfängen, wieder
bedrohtes Gebiet sind, poetischer Regenwald. Nehmen Sie
teil daran und helfen Sie tatkräftig, ein
bedeutsames, neues Reich der Sprache zu befestigen, zu
kultivieren und, in einer absehbaren Zeit, zu
verteidigen. Sie sind willkommen." (Glaser 1994: 26)
59. Eine Möglichkeit, aus diesem
gedruckten Text heraus woandershin zu kommen, liegt
darin, den Computer anzuschalten und einen WWW-Browser
zu starten. Eine Home-Seite mit interessanten
Reisezielen (Verzeichnissen von Verzeichnissen,
Verzeichnissen von online-Books und Magazinen, Kunst-
und Literaturprojekten, sozialen Topographien ...) kann
angefordert werden bei h.idensen@bionic.zer.de - oder
ist unter: "a.a.0." einzusehen in der Imaginären
Bibliothek
http://www.uni-hildesheim.de/ami/pool/home.html:
Hier finden sich auch Umsetzungen einiger literarischer
Hypertext-Experimente, sowie einige elektronische
Essays von PooL-Processing. Im Kontext der
jährlichen Tagungen "HyperKult" an der
Universität Lüneburg erscheint eine
Hypertext-CD-ROM, die die meisten der hier angesprochen
(deutschsprachigen) Hypertexte enthält.
(Information über Martin Schreiber: 04131-714472)
September-24-1995