Einleitung des Workshops durch die Veranstalter
[in engl.]
Die globale Datenvernetzung ist in aller Munde. In Politik
und Wirtschaft entstehen Initiativen, die den weiteren
Ausbau der Netze im großen Stil planen und fördern. Ziel
dieses Engangements ist eine effizienzorientierte und
wirtschaftzentrierte Nutzung der neuen
Kommunikationsstrukturen. Diese Projekte sind in vielen
Bereichen bereits funktionsfähig und werden von einem
besonders neugierigen Teil der Bevölkerung auch schon
benutzt. Man kann diese Entwicklung jedoch auch skeptisch
beurteilen. Das Reisen auf der Datenautobahn und der Besuch
von virtuellen Warenhäusern unterscheidet sich nämlich
nicht sonderlich vom alltäglichen Einkauf und vom
Zeitungslesen. interfiction stellt sich nun die Frage, wie
diese multifunktionalen Kommunikationsstrukturen auf eine
innovative und unkonventionelle Art und Weise benutzt
werden können. interfiction möchte diese neuen
Möglichkeiten aus einer anderen Perspektive vorstellen und
den Schwerpunkt auf die Diskussion einer
'gegenöffentlichen' Netznutzung legen.
-
Gegenöffentlichkeit ist selber zum Mythos geworden.
Die Vorstellung, daß ein kritischer Umgang mit Medien
zwangsläufig zu einer Umgestaltung der Gesellschaft
führt, ist veraltet. Die Datennetze bieten jedoch eine
neuen Anlaß, diesen Mythos konstruktiv zu verwenden.
Netzprojekte versuchen, fasziniert durch die Potentiale des
Netzes, die mythischen Dimensionen der elektronischen
Struktur zu aktualisieren. Schlagworte dazu sind
Globalisierung, Demokratisierung und freier Zugang zu
Informationen. So ist es innerhalb des Internets
beispielsweise möglich, unmittelbar auf das gesamte
Datenmaterial zuzugreifen. Da in der 'realen' Welt jedoch
keine globale Verbreitung von Rechnern gegeben ist, ist das
Internet kein wirklich globales Netz. Das Schlagwort
Demokratisierung ist ähnlich skeptisch zu betrachten.
Immer wahrscheinlicher wird es, daß die neuen
Kommunikationstechnologien einfach um die alten Strukturen
ranken, diesen zwar partiell neue Möglichkeiten schaffen,
wobei deren Organisation aber unbeschadet bestehen bleibt.
Es gibt also einen neuen 'Mythos Gegenöffentlichkeit' in
Datennetzen, der einen grundlegend ambivalenten Charakter
hat. Die Welt wird keineswegs automatisch zu einem globalen
Dorf. Genausowenig wird die Datenvernetzung zu einer
automatischen Demokratisierung führen.
- Die netzspezifischen Mythen werden aber für die von
uns eingeladenen Netzprojekte zu einem Anhaltspunkt, wenn
es um konkrete Umgangsweisen und Strategien in Datennetzen
geht. Im Gegensatz zu einer rein effizienzorientierten
Anwendung versuchen diese Projekte auf netzadäquate und
innovative Art und Weise Kommunikation und Interaktion zu
ermöglichen. Dieses ist genau das Thema, das interfiction
bearbeiten will. interfiction möchte ein möglichst
breites Spektrum von Initiativen vorstellen, die in den
Bereichen Kunst/Kultur, Stadt, Universität und
Journalistik arbeiten, und sowohl Internet/WWW als auch
Mailbox-Systeme benutzen.
Uwe Hermanns, Herbert A Meyer, Gerhard Wissner - Dez96