Cyber Intimacy ist online-Kommunikation zur Erkundung persönlicher Phantasien und Leidenschaften. Für Leute, die Zugang zu den Datennetzen haben, bietet 'Cyber-Initimität' eine Form von alternativer Realität, in der die eigene Person beliebig dargestellt werden kann. Nicht wenige Männer und Frauen halten diese Realität für aufregend und nehmen regelmäßig an ihr teil. Täglich erhöht sich das Angebot im Internet, das extrem häufig nachgefragt werden. Eine Auflistung der 'Web-Sites' mit erotischem oder sexuellem Inhalt würde nicht weniger als 2000 Adressen ergeben.
Betrachtet man Intimität in unserem täglichen Leben, so steht diese dort gewöhnlich für eine Form der privaten und körperlichen Beziehung. Der intime Kontakt wird als vertrauensvoll erlebt und in aller Regel romantisierend beschrieben. In seiner tiefsten Bedeutung steht der Begriff Intimität für einen der innigsten Zustände menschlicher Erfahrung - das sichere und angstlose Teilen der schlimmsten Befürchtungen und größten Hoffnungen. Um im Cyberspace Intimität erleben zu können, muß man willens sein, seinen eigenen Körper zu verlieren. Dieser Verlust wird dann durch den Gewinn einer neuen Cyber-Identität ersetzt. 'Cyber-Intimität' erfordert Phantasie und Vorstellungsvermögen jenseits der Sinne, die eine augenblickliche Nähe fordern. Im Cyberspace ist alles möglich und die Risiken, die dort mit intimen Abenteuern verbunden sind, sind im Vergleich zum normalen Leben stark reduziert.
Wissenschaftliche Studien zeigen, daß Männer - zumindest physiologisch gesehen - sehr stark auf visuelle erotische Reize reagieren. Frauen bevorzugen dagegen das Gespräch und reagieren dementsprechend vertrauensvoll auf die verbale Nähe zu einer anderen Person. Weiter kann man aus Statistiken ablesen, daß das Internet gegenwärtig von Männern mit ausgeprägt starker sexueller Energie beherrscht wird, alle im Alter zwischen 18 und 40 Jahren. Ebenfalls wird berichtet, daß sich nur ca.10% der Benutzer/innen Frauen sind. Dieses offensichtliche Ungleichgewicht ist ernstzunehmen und hält Frauen häufig davon ab, Partnerinnen bei intimen Gesprächen im Cyberspace zu werden. Diejenigen Frauen, die sich dennoch im elektronischen Raum bewegen, geben sich oft selbst als Männer aus, um Belästigungen zu entgehen ('rape without a body'). Oder sie beteiligen sich ausschließlich an Newsgroups, zu denen nur Frauen Zugang haben. Zur Zeit gibt es jedoch eine wachsende Anzahl von Frauen, die den sogenannten Cyber-Feminismus praktizieren und die Beziehung zwischen Frauen und Technik als eine normale und natürliche Verbindung verstehen. Dadurch, daß im Cyberspace Intimität in erster Linie auf Konversation beruht, sind Frauen in online- Beziehungen bevorteilt, da sie als Gesprächspartner dynamischer agieren und sich ihrer natürlichen Position sehr wohl bewußt sind. Äßerst interessant sind daher die Entwicklungen von neuen Kommunikationsbereichen, die gerade von technisch bewanderten Frauen eröffnet werden. Die Homepages der 'Cyber-chix', 'Riot Grrrls', 'Techno Whores', 'Geek Girls' und 'Sexybabes on line' zeigen, daß es durchaus Frauen mit Modems gibt, die wissen, wie man mit dem Ding umgeht. Diese 'Cyber-Babes' sprechen miteinander und lernen voneinander. Es handelt sich um Frauen, die in der alten Tradition der gegenseitigen Unterstützung unter Frauen stehen und diese auf einem neuen Gebiet ausprobieren. Die neuen, intelligenten Maschinen sollen nicht länger nur für den Mann arbeiten.
Die Präsentation 'Cyber intimacy' rückt die Online-Welt der Frauen in den Mittelpunkt. Da Frauen allgemein eher an Beziehungen als an Status interessiert sind, ist Intimität ein zentraler Faktor in den von ihnen entwickelten Kommunikationsmöglichkeiten. Deborah Tannen, eine der wenigen Linguisten, die der Ansicht sind, daß Intimität der "key in the world of connection" ist, geht davon aus, daß gerade für Frauen auf diesem Wege nahe, familiäre, private und bedeutungsvolle Beziehungen aufbauen können. Für Frauen "explodiert" online eine neue Welt des Ausdrucks. Diese kann wild und verrückt sein, aber immer wird sie auch genauso sicher sein wie ein Kaffeekränzchen in der Küche.
Kathy Rae Huffman ist freischaffende Kuratorin und publiziert über Medien und zeitgenössische Kunst. Sie kuratierte Programme u.a. für Ars Electronica und Telepolis.
Übersetzung: Herbert A Meyer