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Konfigurationen. Zwischen 
Kunst und Medien
4. - 7. September 1997

Panel E4: Gedächtnismaschinen

Samstag, 6. September 1997 17.00 Uhr - Ghk, Holländischer Platz 

Gloria Meynen (Berlin):
Sekretäre

Abstract

Seitdem es Reiche gibt, deren Grenzen nicht mehr mit der Schwelle ihres Hauses zusammenfallen, gibt es Sekretäre, die anstelle ihrer Herren und Meister schreiben. Sie schreiben nicht, sie lesen nicht: Und dennoch übertragen sie die Befehlsgewalt bis zu den Grenzen des Imperiums. »... it looks like an ordinary desk«, schreibt Vannevar Bush über Memex, einen Gedächtnisverstärker, der anstelle seiner Benutzer selbständig schreiben und lesen sollte. Geheimschreiben wird mit Memex zum Standard von Büromaschinen und seit 1970 zum Standard von grafischen Benutzeroberflächen. PARC, Natural Computing und die Push-Medien wandeln intelligence service in Maschinenservice. Welcher Logik gehorcht die Oberfläche von Maschinen? Wie schreiben Maschinen ohne zu schreiben, wie lesen sie ohne zu lesen?

Vortrag in deutscher Sprache
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Wolfgang Ernst (Köln) / Stefan Heidenreich (Berlin):
Digitale Bildarchivierung: Der Wölfflin-Kalkül

Abstract

Die fünf kunstgeschichtlichen Grundbegriffe Wölfflins reagieren auf die Explosion eines Bilddatensatzes, für den bislang allein der Raum des Museums und die Ordnung von Inventar und Katalog Organisationsmodelle bereitgestellt hatten (Ketelsen). Mit der Fotografie und der Diaprojektion war der Kunstgeschichte plötzlich eine Menge von Bilder gegenwärtig, die vorher aus der kühlen Ferne der Studierstube per Gedächtnis adressiert und - dem Medium unangemessen - logozentristisch der Verschlagwortung unterworfen wurden (Dilly). Es stellte sich die Anforderung, geschichtliche Einheiten wie Leben, Werk und Datierung, über die das Fach Kunstgeschichte Bildmengen in erster Linie geordnet hat, auf den neuen Datensatz zu übertragen. Hierzu bedurfte es eines Verfahrens, Verwandtschaften im Bild wiedererkennbar zu machen und historische Abläufe oder lokale Besonderheiten zu beschreiben. Hier setzt Wölfflin den Begriff des Stils ein. Er soll dazu taugen, auch die Datenbank der Reproduktionen unter den Bedingungen eines historisch operierenden Fachs zu verarbeiten. Als Anwendung auf große digitalisierte Bilddatenmengen gedacht, provoziert das Konzept die Frage, ob es durch statistische Auswertung von Bildern nachvollziehbar ist. Ein Programm wird versuchen, wenigstens einen der kunstgeschichtlichen Grundbegriffe in Algorithmen zu gießen und auf eine Reihe von Bildern anzuwenden. Aus den Ergebnissen lassen sich zwei ganz unterschiedliche Folgerungen ziehen: Entweder ist das Wissen eines bestimmten Zweigs der Kunstgeschichte damit durch ein Programm im Nachhinein bestätigt oder Wölfflins Kalkül ist nur eine Teilmenge eines erweiterbaren Wissens über Bilder, das von der Kunstgeschichte nach Erklärungen verlangt. Zugleich erinnert der Wölfflin-Kalkül an die kulturwissenschaftliche Herausforderung, das Gedächtnis der Bilder jenseits der Verschlagwortung zu denken. 

Vortrag in deutscher Sprache
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