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Konfigurationen. Zwischen
Kunst und Medien
Kassel 4. - 7. September 1997

Panel D3: Die Krypto-Gesellschaft - Verbergen, Geheimhalten, Verschlüsseln

Samstag, 6. September 1997 17.00 Uhr - Ghk, Holländischer Platz

Kurzbeschreibung:

Die Geschichte der Kryptographie ist eine Geschichte voller Vorurteile, Mythen und Entstellungen. Für die Militärs ist sie selbstverständliche Kultur, für das global vernetzte Tele-Shopping und Tele-Banking scheint sie unverzichtbare Voraussetzung des reibungslosen Übergangs zur Ökonomie der globalen Informationsgesellschaft. Für die staatlichen Dienste verschärft sie die Gefahr des Kontrollverlustes. Für die Graswurzelbewegung bleibt sie unverzichtbares Recht. Technisch ist sie sowieso nicht zu unterbinden.

Wolfgang Coy (Berlin):
Der militärische Schlüssel zur Informationsgesellschaft

Abstract

Kryptografische Verschlüsselung wirtschaftlicher oder privater Vorgänge erfolgt wie viele andere mediale Entwicklungen durch »Mißbrauch von Heeresgerät«. Das professionelle Verbergen von schriftlichen Geheimnissen ist traditionell eine Sache der Diplomatie, der polizeilichen Dienste und des Militärs. Mit den offenen Rechnernetzen erlangt die Kryptografie unmittelbare wirtschaftliche Bedeutung. Kryptografie zeigt sich so als das jüngste Beispiel einer zivilitären Technikentwicklung. Tendenziell erlaubt sie den Militärs die Nutzung ziviler Entwicklungen und militarisiert gleichzeitig die zivile Nutzung. Und damit werden Widersprüche zwischen den »Diensten« und der »Wirtschaft«, insbesondere Handel und Banken, offensichtlich. Während die technische Kunst des kryptischen Verbergens allgemein verfügbar ist, wird die Frage nach der Gewalt, also nach der rechtlichen und faktischen Kontrolle der Kryptografie zur entscheidenden politischen Herausforderung – im nationalen und im transnationalen Rahmen.

Vortrag in deutscher Sprache
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Volker Grassmuck (Berlin):
Der Schlüssel zum Markt ist ein öffentlicher

Abstract

»Dunraven dachte, die Lösung des Geheimnisses reiche nie an das Geheimnis heran. Das Geheimnis hat teil am Übernatürlichen, ja am Göttlichen; die Lösung ist Taschenspielerei.« (Borges)
Die grundsätzlich offene Struktur des Netzes kennt kein Geheimnis. Frei flottierende Signale, das erkannte schon Marconi, müssen, damit nur Autorisierte sie lesen können, Unlesbarkeit in ihrer Kodierung implementieren. Also Kryptografie. Also Waffentechnologie, wie das amerikanische Ausfuhrverbot deutlich macht. Doch scheint das mediale Innovationsprimat seit geraumer Zeit von den Militärs an den Markt übergangen zu sein, oder geopolitisch: von den USA an Japan. Die non-disclosure Zwänge der Handelskriege und der Bedarf nach einem Geldäquivalent, also nach digitalen Singularitäten (eigentlich eine Contradictio in adjecto), machen Verschlüsselung zum Schlüssel für die Erschließung der bisherigen Oase des Gabentauschs. In deutlicher Zurückweisung der geheimdienstlich amerikanischen Versuche, die Welt auf key escrow einzuschwören, setzen die jüngsten OECD-Richtlinien auf eine marktwirtschaftliche Lösung der Kryptofrage. Auch die Möglichkeit der Anonymität von Transaktionen, wie bspw. Ecash sie implementiert, wird anerkannt. Ob mit oder – nach dem sich abzeichnenden Stimmungsbild – wahrscheinlich ohne polizeilichen und geheimdienstlichen Zugriff auf die Schlüssel: Kryptotechniken für das Bestellen, Bezahlen und Ausliefern von informationeller Ware stehen unmittelbar bevor, und damit eine Balkanisierung – oder treffender: Microsoftisierung – des bislang nahtlosen Netzes in gebührenpflichtige Zonen. »Das Rasende der Technik« führt, wie ein Großmeister der Philosophie lang vor jeglichem Online-Shopping wußte, auf »das Rasende des Bestellens«. Doch das ist nur Taschenspielerei. Es bleibt der Trost: »Verborgen aber ist und immer sich verbergend das Befreiende, das Geheimnis«

Vortrag in deutscher Sprache
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Herbert A. Meyer (Kassel):
Privacy: Informationelle Selbstbestimmung in Datennetzen

Abstract

Das Prinzip des freien Flusses von Daten ist in dezentral strukturierten Netzen mit einem spezifischen Fluch behaftet: zwischen vernetzten Computern zirkulierende Nachrichten können von Dritten relativ problemlos abgehorcht, verändert und gefälscht werden. Konventionelle Kryptographie kann einen Angriff auf die Privatsphäre nicht verhindern. Schon zu Zeiten des ARPANET war Computerfreaks dieses Problem bekannt. In jahrelanger Tüftelarbeit entwickelten sie unabhängig von staatlichen Einrichtungen ein Kyptographiewerkzeug, das sich an die Dezentralität der Netze optimal anpaßt. Es arbeitet mit zwei komplementären Schlüsseln, einem öffentlichen und einem geheimen. Im Gegensatz zu konventionellen Verfahren brauchen sich Sender und Empfänger allerdings nicht mehr vorher auf einen geheimen Schlüssel verständigen. Betrachtet man das Organisationskonzept dieses öffentlichen Schlüsselsystems, zeigen sich in mancher Hinsicht Ideen und Ideale der Hippie-Bewegung und der alternativen »Szenen« in den westlichen Metropolen: es ist basisorientiert, nicht-kommerziell, staatsfrei und vom Ideal der Selbstbestimmung geprägt. Das bekannteste System »Pretty Good Privacy« (PGP) funktioniert bereits heute in einem Netzwerk von Freundeskreisen tadellos und bietet Vertraulichkeitsschutz und Authentizität. Doch kann es jemals massenweise eingesetzt werden?

Vortrag in deutscher Sprache
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