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Konfigurationen. Zwischen
Kunst und Medien
Kassel 4. - 7. September 1997

Panel B4: Neue(ste) Musik

Samstag, 6. September 1997 17.00 Uhr - Ghk, Holländischer Platz

Achim Wollscheid (Karlsruhe):
Kontext und Transformation

Wie es weiter geht, hängt auch in der Musik davon ab, wie die anwachsende Menge von Material und seine angebliche Verfügbarkeit in Korrelation zu den sie verarbeitenden Maschinen gedacht und in situationsbezogene Konzepte überführt werden kann. Hier wird behauptet, daß dies ohne besondere Beachtung dessen, was Kontexte dieser Musik im jeweils speziellen Fall ihres Einsatzes sind und ohne die Betrachtung von Musik als performativer oder transformierender Kraft, zunehmend uninteressant wird. Heutzutage ermöglichen es Maschinen, auf den jeweiligen Kontext als Material von Musik direkt zuzugreifen und Musik als Analyse dieses Kontexts direkt wieder in ihn zurückzugeben. Musik erwächst so kurzfristig aus dem Kontext und blendet sich gleichzeitig in ihn ein und zurück. Nun ist die Frage, wie kurz Rückkopplungsschleifen sein können und welche Formen von Vergnügen oder Geltung aus der Beschäftigung mit solchen Systemen erwachsen.

Vortrag in deutscher Sprache
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Michael Harenberg (Karlsruhe):
Die Rationalisierung des Virtuellen in der Musik

Abstract

MacLuhan spricht von einem Zeitalter des Hörens, welches das zu Ende gehende optische Zeitalter verdrängen wird. Dabei muß man sich schon heute beeilen, wenn man noch etwas hören will. »Alles verschwindet«, wie man in Abwandlung eines Zitates von Paul Cezanne formulieren müßte. Während wir Mühe haben, im uns ständig umgebenden Rauschen »etwas Informatives« herauszufiltern, findet eine sich immer noch beschleunigende quantitative Perfektionierung der technischen Produktions-Medien, und das heißt heute, der digitalen Simulations-Möglichkeiten statt. Das kann man an der Schnittstelle »Musik« als genuiner Zeitkunst gut beobachten. Zeitrelevante Datenverarbeitung in Kombination mit großen Datenmengen zählt immer noch zu den anspruchsvollsten Disziplinen des Digitalen. Die universellen Manipulationsmöglichkeiten im Digitalen führen, im Gegensatz zu den Prognosen der 80er Jahre, aktuell zu einer stagnierenden (Rück-) Orientierung an traditionellen Strukturen und Konzepten. Verunsichert durch fehlende gesellschaftliche Zukunftsperspektiven und den gigantischen Gestaltungsmöglichkeiten des in völliger Abstraktheit vorliegenden Materials, werden lediglich traditionelle Strukturen rationalisiert und hocheffizient reproduziert. Das Internet basiert auf einem Standard (HTML als eine DTD von SGML), der zur hierarchischen Beschreibung von Textstrukturen entwickelt wurde, und so sieht es auch aus. CD-ROMs können sich bis auf wenige Ausnahmen kaum von ihren linearen Vätern »Bücher« lösen und behandeln alles was nicht »Text« ist eher am Rande. So erscheint Musik in der Regel in Form von brav linear eingebauten Primitiv-Loops. In der Musik selbst haben wir mit Software-Synthesizern, Hyperalgorithmus-Programmen und virtueller Klangsynthese die abstraktesten Darstellungs- und Simulationsmöglichkeiten von Klang, sowohl im Mikro- als auch im Makrobereich. Anwendung findet Virtuelle Klangsynthese allerdings vornehmlich in der rationalisierenden Imitation von Naturinstrumenten und alten Analogsynthis. Neben gesellschaftlichen Aspekten und kapitalistischer Marktlogik, steht die verunsichernde Abstraktion des Prozesses »Musik« als Inhalt zwischen »Neuer Technik« und »Neuer Musik« selbst zur Disposition: Als Frage, von der wir nicht genau sagen Können, ob sie uns interessiert. Nichts scheint so abgesagt wie die Formel Luigi Nonos von der Interiorisierung der Exteriorisierung der Interiorisierung.

Vortrag in deutscher Sprache
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