Parental Directory
www.ekphorie.de
4friends | Login

Text von Claude Shannon, Bell Laboratories Memorandum, 18. März, 1953; übersetzt von Philipp von Hilgers (seit 1997 im Web)

javaMind-Reading(?)Machine (Java-Applet nach Claude Shannon, programmiert von Philipp von Hilgers)

Eine gedankenlesende (?) Maschine

Claude E. Shannon

Diese Maschine ist ein etwas vereinfachtes Modell von einer Maschine, welche von D. W. Hagelbarger entworfen wurde. Sie spielt im Grunde genommen das alte Spiel "Grad oder Ungrad". Dieses Spiel ist aus spieltheoretischem Blickwinkel von von Neumann und Morgenstern diskutiert worden und vom psychologischen Standpunkt aus von Edgar Allan Poe in "Der entwendete Brief". Seltsamerweise ist die Maschine mehr darauf eingerichtet nach Poes Methode zu spielen als nach von Neumanns.

Um gegen die Maschine zu spielen, sollte der Spieler laut "rechts" oder "links" sagen. Der mittlere Knopf der Maschine ist dann zu drücken und die Maschine wird entweder die rechte oder die linke Lampe aufleuchten lassen. Wenn die Maschine dem Spieler in der Wahl folgt, gewinnt die Maschine, ansonsten gewinnt der Spieler. Der Spieler sollte dann den Kippschalter in die Richtung bewegen, die mit seiner vorher gemachten Wahl übereinstimmt. Die Maschine wird dann einen Punkt für die Maschine oder für den Spieler, je nachdem wie der Fall liegt, verzeichnen, indem eine Kugel in eine entsprechende Glasröhre geschossen wird. Das Ergebnis, das die Maschine gegen alle Spieler seit ihrem Start erzielt hat, wird durch zwei Zähler angezeigt, die durch die vordere Abdeckung sichtbar sind.

Die Strategie der Operation

Die Maschine sucht grundsätzlich nach bestimmten Typen von Mustern in dem Verhalten seines menschlichen Opponenten. Wenn sie diese Muster finden kann, behält sie diese und nimmt an, daß der Spieler den Mustern beim nächsten Mal, wenn die gleiche Situation auftritt, folgen wird. Die Maschine enthält auch ein Zufallselement. Bis Muster gefunden worden sind oder wenn ein angenommenes Muster nicht zumindest zweimal vom Spieler seit Spielstart wiederholt worden ist, wählt die Maschine ihren Zug willkürlich.

Die wiedererkannten Typen von Mustern beziehen den Ausgang von zwei aufeinanderfolgenden Spielen ein (d.h. ob oder ob nicht der Spieler diese Spiele gewonnen hat), und ob er seine Wahl zwischen den Spielen und nach diesen geändert hat. Es gibt acht mögliche Situationen und innerhalb jeder dieser kann der Spieler zwei Dinge tun. Die acht Situationen sind:

  1. Der Spieler gewinnt, spielt das Gleiche und gewinnt. Er könnte dann das Gleiche oder anders spielen.
  2. Der Spieler gewinnt, spielt das Gleiche und verliert. Er könnte dann das Gleiche oder anders spielen.
  3. Der Spieler gewinnt, spielt anders und gewinnt. Er könnte dann das Gleiche oder anders spielen.
  4. Der Spieler gewinnt, spielt anders und verliert. Er könnte dann das Gleiche oder anders spielen.
  5. Der Spieler verliert, spielt das Gleiche und gewinnt. Er könnte dann das Gleiche oder anders spielen.
  6. Der Spieler verliert, spielt das Gleiche und verliert. Er könnte dann das Gleiche oder anders spielen.
  7. Der Spieler verliert, spielt anders und gewinnt. Er könnte dann das Gleiche oder anders spielen.
  8. Der Spieler verliert, spielt anders und verliert. Er könnte dann das Gleiche oder anders spielen.

Jede von diesen entspricht einer anderen Zelle im Speicher der Maschine. Innerhalb der Zelle sind zwei Dinge festgehalten: 1.) ob beim letzten Mal, als diese Situation auftrat, der Spieler das Gleiche oder anders spielte; 2.) ob oder ob nicht das in 1.) angezeigte Verhalten eine Wiederholung des gleichen Verhaltens in der zuletzt vorangegangenen, gleichen Situation war. Im folgenden betrachten wir die Situation: gewonnen, gleich, verloren. Nehmen wir an, daß das letzte Mal als diese Situation in dem Spiel auftrat der Spieler "anders" spielte. Dann wird "anders" im ersten Teil dieser Speicherzelle aufgenommen. Wenn in der vorangegangenen Zeit, als diese Situation auftrat, der Spieler auch "anders" gespielt hatte, hält der zweite Teil der Speicherzelle das als Wiederholung fest. Die Maschine wird annehmen, sollte diese Situation wieder auftreten, daß dies ein eindeutiges Muster in dem Verhalten des Spielers ist und wird entsprechend spielen. Wenn der Spieler sich nicht wiederholt hat, spielt die Maschine nach ihrem Zufallselement. Die Speicherzellen werden jederzeit auf dem neuesten Stand gehalten. Zum Beispiel wird eine einzelne Speicherzelle von einer Voraussage zu ihrem Gegenteil nach zwei Wiederholungen der entsprechenden Situation wechseln.

Eine mathematische Analyse der Strategie, die bei dieser Maschine angewandt wird, zeigt, daß sie durch ein bestmögliches Spiel im Verhältnis 3:1 geschlagen werden kann. Um dies zu erreichen, ist es notwendig, den Inhalt aller Speicherzellen in der Maschine zu verfolgen. Der Spieler sollte ein Verhaltensmuster zweimal wiederholen und wenn die Maschine dann vorbereitet ist, diesem Muster zu folgen, sollte der Spieler es ändern. Es ist extrem schwierig dieses Programm gedanklich durchzuführen, aufgrund des dabei nötigen Maß' an Gedächtnisleistungen und Kalkulationen.

Der Kugelzähler, der bei dieser Maschine dazu genutzt wird den Spielstand festzuhalten, ist eine Anwendung des Momentensatz'. Wenn eine Kugel gegen eine stehende Reihe gleicher Kugeln geschlagen wird, wird das Moment der ersten Kugel der Reihe nach übertragen und die letzte Kugel in der Reihe bewegt sich mit der Geschwindigkeit der ursprünglich anstoßenden Kugel davon. In diesem Zähler wird das Moment durch eine Reihe von bis zu fünfzig Kugeln übertragen!

Das Zufallselement in der Maschine ist eigentlich ein Stromwender, der mit 10 Umdrehungen pro Sekunde rotiert. Zwei Bürsten, um 180 versetzt, wirken auf den Stromwender ein. Ein Kupfersegment auf dem Stromwender berührt die Bürsten alternierend. Wenn der Knopf gedrückt wird und eine zufällige Wahl getroffen werden muß, bestimmt die erste Bürste, die von dem Stromwender berührt wird, ob die Wahl auf "links" oder "rechts" fällt.

Deshalb hängt die Zufälligkeit des Gerätes grundsätzlich von der Unbestimmtheit des Intervalls zwischen den Zügen ab, dessen Variation einer dem Menschen gemäßen Schwankung unterliegt und im Vergleich zur der zehntelsekündigen Periode des Stromwenders sehr groß ist.

Bell Laboratories Memorandum, 18. März, 1953